220 Millionen Euro! von Runtastic an Adidas legen die Gründer Florian Gschwandtner, Alfred Luger, René Giretzlehner und Christian Kaar
einen Mega-Exit hin. In unserem Buch schildert Florian Gschwandtner die Anfänge seines Startups bis zu Plänen stärker ins Hardwaregeschäft einzusteigen. Das ist ihm nun definitiv gelungen.Das Interview führten wir im August 2013 kurz vor der Beteiligung des deutschen Medienriesen Axel Springer. |
Foto: Jakob Lehner
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Erfolgsgründer Interview
Runtastic ist heute eine Weltmarke, inbesondere für das Tracking beim Laufen. Wie ist die Idee dazu entstanden?
Gschwandtner: Begonnen hat alles mit einem Projekt vom Christian Kaar und Rene Giretzlehner. Sie haben bei den World Sailing Games am Neusiedler See die Segelboote mit einem externen GPS-Tracker ausgestattet und die Location der Boote mittels eines Java-fähigen Handys auf dem Fernseher visualisiert. Damit konnten die Zuschauer im Zelt mitverfolgen, wo sich die Segler gerade befinden. Diese Technologie wurde später für Rallyeautos adaptiert, aber am Ende des Tages war kein Markt dafür vorhanden. Unser FH-Studiengangsleiter hat die beiden trotzdem gedrängt, bei tech2b mitzumachen. Die Idee war schon, in den Breitensport zu gehen, aber damals noch mit fix installierten Marathon- und Zeitmesssystemen. Die sollten in hochfrequenten Laufstrecken verbaut werden, wie beispielsweise der Prater Allee in Wien oder der Donaulände in Linz.
Und wann bist du dazu gestoßen?
Rene, Christian und ich haben uns schon 2003 an der FH Hagenberg kennengelernt, wo wir gemeinsam Mobile Computing studiert haben. Als das Projekt anlief, bekam Christian vom niederländischen Navigationshersteller TomTom ein gutes Job-Angebot, das er annehmen wollte. Rene hat mich zeitgleich gefragt, ob ich in das Projekt einsteigen möchte. Das hat super gepasst, weil ich gerade an der FH Steyr ein zweites Studium über Entrepreneurship absolvierte und selbst bereits an Startup-Ideen feilte. In dem Zusammenhang war ich auch schon mit Alfred Luger in Kontakt. Ihn habe ich gleich zu Runtastic mitgenommen. Glücklicherweise ist der Christian dann doch nicht zu TomTom gegangen und so haben wir vier Runtastic gegründet.
Die Idee hat sich dann noch stark weiterentwickelt ...
Das Projekt mit der Zeitmessung war halb angefangen und ich wollte die Funktionalität schon früh mobil anwendbar machen. Das war technisch auch möglich, denn 2009 gab es bereits Handys mit GPS. Alfred und ich haben unsere Jobs gekündigt und sind die Finanzierung des Unternehmens angegangen. Wir haben die damals wenigen Business Angels in Österreich abgegrast und bekamen lauter negative Rückmeldungen. Oft war das Argument, dass man mit einem Gadget keine Firma aufbauen kann. Wir haben stark die typisch österreichische Einstellung von „geht nicht, weil …“ erlebt. Unsere Naivität oder unsere Sturheit oder beides zusammen, haben uns trotzdem nicht vom Weg abgebracht.
Schlussendlich hat die Finanzierung aber doch geklappt.
Wir haben die ersten 50.000 Euro aus eigener Tasche gestemmt. Um unser Startup zu finanzieren, haben wir für große österreichische Unternehmen Apps entwickelt und so laufend für Umsätze gesorgt. Jeden verdienten Cent haben wir wieder ins Unternehmen gesteckt. Am Wochenende habe ich an der Fachhochschule und am WIFI unterrichtet, Christian und Rene haben entwickelt und Alfred hat für seine ehemalige Firma Beratungsleistungen erbracht. Im November 2009 konnten wir dann die erste Runtastic-App launchen. Und dann hat sich alles viel schneller und besser entwickelt als geplant.
Das dürfte dann schon Risikokapitalgeber interessiert haben?
Bereits zweieinhalb Monate nach der Gründung hatten wir drei potenzielle Finanzierungen mit vernünftiger Bewertung vorliegen. Wir haben das Geld aber nicht mehr wirklich gebraucht und entschieden, dass wir lieber unabhängig bleiben. Erst ein knappes Jahr später haben wir mit Stefan Kalteis, Bernhard Lehner und Alexander Iglsböck drei Business Angels mit an Bord geholt. Allerdings nicht für Geld, sondern gegen Work for Equity im kleinen Ausmaß.
Hat sich die Mitarbeit dieser drei Business Angels retrospektiv für euch ausgezahlt?
Das war sicher die richtige Entscheidung, weil wir damals recht unerfahren waren. Ich bin ein totaler Verfechter des Team-Gedankens: Die Leute müssen zusammenpassen und das war bei unseren Business Angels hundertprozentig der Fall. Sie haben auch gewisse Vorleistungen erbracht und uns gezeigt, wie wir bestimmte Sachen besser machen können. Dadurch haben wir die Lernkurve abgekürzt. Natürlich ging es auch ein bisschen ums Aufmachen der Szene – alle drei sind in Linz sehr gut vernetzt.
Entwickelt ihr heute noch Apps für andere Unternehmen?
Nein. Nach 18 Monaten haben uns die Leute gefragt, ob wir jetzt App-Entwickler sind, oder ob unser Kerngeschäft Runtastic mit Sport und Bewegung ist. Da haben wir gemerkt, wir müssen das sauber trennen. 2011 haben wir deshalb die „all about apps“ GmbH gegründet, an der auch unsere drei Business Angels beteiligt sind. Damit ist relativ schnell das erste Spin-off von Runtastic entstanden. All about apps entwickelt heute erfolgreich Apps für Unternehmen. Das läuft aber völlig separat, denn die Runtastic-App machen wir ausschließlich In-House. Ohne Trennung wäre es auch gar nicht mehr gegangen, denn Runtastic ist rapide weitergewachsen und da sind natürlich neue Herausforderungen auf uns zugekommen, von der Organisation bis zum Personalmanagement.
Gerade die Mitarbeiterführung ist immer ein großes Thema. Wie hat sich das bei euch entwickelt?
Bei 25 bis 30 Mitarbeitern waren wir schnell in einer Chaosorganisation. Wir haben dann klassisch angefangen, ein Organigramm aufzuzeichnen und Prozess- und Kommunikationswege definiert. So haben wir schnell gemerkt, dass an einer Führungsperson nicht elf oder zwölf Mitarbeiter dranhängen können. Eine Führungsperson kann maximal sechs bis acht Leute in dieser Ebene führen. Genauso wie es ein Grafiker schwer hat, wenn er an vier verschiedene Abteilungen liefern soll.
Wie habt ihr das Problem gelöst?
Wir haben ein C-Level und ein mittleres Management mit sieben bis acht Leuten eingeführt und eine Subebene mit Teamleitern. Vor eineinhalb Jahren haben wir auch unsere Founder- und Managerrolle klar getrennt. Das war wichtig, weil man als Founder anders als ein Manager entscheidet. Ich bin jetzt als CEO das Gesicht nach außen, Alfred ist COO und Rene und Christian sind unsere CTOs.
Habt ihr euch in dieser Phase keine Hilfe von außen geholt?
Wir haben mit Consultants nur kurze Workshops gemacht. Alles andere versuchen wir selbst zu erledigen. Wir leben da trotz unserer Größe den Startup-Spirit. So ist etwa der erste Donnerstag im Monat ein „DONI“, also ein „Day of New Ideas“. Die Mitarbeiter können an diesem Tag arbeiten woran sie wollen und um 16:00 Uhr ist die Präsentation mit Voting. Es ist für uns ganz wichtig, dass hier jeder gehört wird. Alle zwei Wochen haben wir ein gemeinsames Frühstück, bei dem besprochen wird, was gerade ansteht. Das alles passiert bei uns in Englisch.
Gibt es noch weitere Maßnahmen zur Mitarbeitermotivation?
Wir versuchen ganz stark, Mitarbeiter durch konkrete Ziele zu motivieren. Was man auch sagen muss, wir sind sehr streng in der Aufnahme und richten uns ganz stark an A-Level-Programmierer. Da kann es schon vorkommen, dass wir von zehn Entwicklern sieben nach Hause schicken. Es ist übrigens ein echter Standortvorteil von Pasching, dass es hier sehr gute Leute gibt und nicht jeder will nach Wien, London oder ins Valley.
Und was passiert, wenn die Ziele nicht erreicht werden?
Dann gibt es ein klares Reporting, warum diese nicht erreicht wurden. Wir wollen verstärkt alle Stakeholder in ein Meeting reinnehmen und die Dinge gemeinsam besprechen. Dazu haben wir eine sehr straffe Meetingstruktur geschaffen, bei der jeder in fünf bis zehn Minuten seine Punkte präsentiert und dann gehen wir gleich in medias res. Das steigert auch die Mitarbeitermotivation, weil Mitarbeiter die Chance bekommen, zu erklären, warum etwas nicht funktioniert hat. Es ist nicht fair, Ziele zu vereinbaren, die niemand erreichen kann, weil sich das Umfeld verändert oder du intern die Ressourcen nicht bekommen hast.
Eure Strategie ist jedenfalls voll aufgegangen. Runtastic ist weltweit bekannt, was sind die nächsten Ziele?
Wir wollen zur führenden Lifestyle-Marke für Health and Fitness werden. Egal welches Ziel du im Sport- oder Gesundheitsbereich hast, Runtastic soll die passenden Apps dafür haben. In gewissen Marktsegmenten gelingt uns das schon sehr gut. Jetzt kommt das Hardwaregeschäft dazu, da sind wir im stationären Handel bereits gut vertreten. Wir wollen als physische Brand erlebbar werden, von Handschuhen über Brustgurte. Mit dem Sportartikelhersteller Head haben wir einen Helm entwickelt, der dir beim Skifahren die Geschwindigkeit ansagt oder mit dem du telefonieren kannst.
Es ist doch recht ungewöhnlich, dass ein App-Hersteller zum Hardwareproduzenten wird?
Das ist total untypisch in der Branche und hat sich bei uns einfach so entwickelt. Unsere User haben immer wieder angefragt, dass sie gerne die eigene Herzfrequenz mit dem Smartphone messen würden. Wir haben dann einen Webshop aufgebaut und Brustgurte eines US-Herstellers vertrieben. Und dabei haben wir gemerkt, wow, wir verkaufen viel mehr als geplant! Das Affiliate-Programm mit einer Third-Party-Brand war uns auf Dauer zu wenig. Zufällig haben wir eine Welser Firma kennengelernt, die Uhren für Discounter herstellt und die waren gerade auf der Suche nach neuen Geschäftsmöglichkeiten. Wir sind relativ schnell zusammengekommen und heute entwickeln wir gemeinsam die Produkte und Runtastic hält die Rechte daran.
Wie hat der Handel auf dieses Hard- und Software Business Modell reagiert?
Sehr positiv. Mit unseren Produkten sind wir gut im internationalen Retail vertreten. Wir verkaufen über amazon.com sehr gut und bei den stationären Händlern sind wir im Bereich der „Appsessories“ stark positioniert. Das Thema „Quantified Self“ ist noch nicht voll da, aber das wird in ein bis eineinhalben Jahren richtig durch die Decke gehen.
Runtastic hat jetzt schon eine große Produktpalette. Das ist wahrscheinlich gar nicht so leicht zu managen?
Wir haben derzeit 16 Apps und 10 Hardwareprodukte und dazu noch unser runtastic.com Fitnessportal. In dieser Phase müssen wir fokussieren und den Sales-Bereich optimieren. KPIs haben wir erst letztes Jahr definiert. Im E-Mail-Marketing versenden wir 40 bis 50 Millionen Mails pro Monat. Hier lässt sich mit Betreffzeilentests, Grafiken, mobiler Darstellung und all dem noch sehr viel professionalisieren. Wir haben auch schon ein recht großes Marketingteam, die alle möglichen Sprachen abdecken. Wir wollen ganz bewusst in den Emerging Markets präsent sein. China lässt sich beispielsweise nur schwer monetarisieren, aber das Land bietet ein riesiges Reichweitenpotential und da wollen wir einfach vertreten sein.
Bei so einem erfolgreichen Unternehmensweg ist doch sicher der Börsengang interessant?
Wir haben jetzt keinen konkreten Plan. Es wäre aber gelogen, wenn wir sagen würden, wir reden nicht mit Leuten. Das ist aber immer eine Momentaufnahme. Natürlich soll man sich Optionen und Chancen anhören, aber man kann nicht sagen, das ist es jetzt. Vielleicht gibt es auch einen strategischen Partner, mit dem wir viel schneller an unser Ziel kommen.
Was siehst du als Erfolgsgeheimnis von Runtastic?
Unser größtes Erfolgsgeheimnis ist das Team. Wir vier Gründer haben immer an einem Strang gezogen. Geld war für uns nie der große Motivator. Wir haben uns am Anfang so gut wie nichts ausgezahlt und das war uns auch egal. Und wir arbeiten natürlich hart für den Erfolg. Im Durchschnitt sind es 70 bis 80 Stunden in der Woche. Das soll zwar einmal weniger werden, aber es macht auch unheimlich viel Spaß. Die Möglichkeiten werden wir kein zweites Mal im Leben mehr haben. Mit einer 40-Stunden-Woche wirst du nicht zur Nummer eins der Welt.
Hast du nie überlegt, aus Österreich wegzuziehen und in den USA einen schnellen Hebel zu finden?
Doch, der Gedanke war schon da, aber da gibt es auch eine ganz andere Kostenstruktur. Dort kannst du gute Programmierer nur mit teuren Incentives halten. In den USA sind die Big Player wie Facebook, Amazon und Google. Wir haben immer gesagt, wir müssen zuerst im deutschsprachigen Raum und dann in Europa gut sein. USA können wir dann angehen, wenn wir das richtige Mindset dafür haben.
Aber du bist schon oft im Silicon Valley unterwegs. Was sind da die größten Unterschiede zu Österreich?
Die Unterschiede sind gar nicht so groß. Auch das Silicon Valley ist eine überschaubare Szene. Auch dort geht es vor allem ums Networking, nur ist die Einstellung zum Entrepreneurship eine ganz andere. Da gibt es viel mehr Mut zum Unternehmertum und weniger Bürokratie bei der Gründung. Und die Amis können sehr gut verkaufen. Was man aber immer wieder betonen muss: Die Qualität an Technikern ist bei uns um nichts schlechter als in den USA! Wir haben in Österreich unheimlich viele gute Leute.
Runtastic ist heute eine Weltmarke, inbesondere für das Tracking beim Laufen. Wie ist die Idee dazu entstanden?
Gschwandtner: Begonnen hat alles mit einem Projekt vom Christian Kaar und Rene Giretzlehner. Sie haben bei den World Sailing Games am Neusiedler See die Segelboote mit einem externen GPS-Tracker ausgestattet und die Location der Boote mittels eines Java-fähigen Handys auf dem Fernseher visualisiert. Damit konnten die Zuschauer im Zelt mitverfolgen, wo sich die Segler gerade befinden. Diese Technologie wurde später für Rallyeautos adaptiert, aber am Ende des Tages war kein Markt dafür vorhanden. Unser FH-Studiengangsleiter hat die beiden trotzdem gedrängt, bei tech2b mitzumachen. Die Idee war schon, in den Breitensport zu gehen, aber damals noch mit fix installierten Marathon- und Zeitmesssystemen. Die sollten in hochfrequenten Laufstrecken verbaut werden, wie beispielsweise der Prater Allee in Wien oder der Donaulände in Linz.
Und wann bist du dazu gestoßen?
Rene, Christian und ich haben uns schon 2003 an der FH Hagenberg kennengelernt, wo wir gemeinsam Mobile Computing studiert haben. Als das Projekt anlief, bekam Christian vom niederländischen Navigationshersteller TomTom ein gutes Job-Angebot, das er annehmen wollte. Rene hat mich zeitgleich gefragt, ob ich in das Projekt einsteigen möchte. Das hat super gepasst, weil ich gerade an der FH Steyr ein zweites Studium über Entrepreneurship absolvierte und selbst bereits an Startup-Ideen feilte. In dem Zusammenhang war ich auch schon mit Alfred Luger in Kontakt. Ihn habe ich gleich zu Runtastic mitgenommen. Glücklicherweise ist der Christian dann doch nicht zu TomTom gegangen und so haben wir vier Runtastic gegründet.
Die Idee hat sich dann noch stark weiterentwickelt ...
Das Projekt mit der Zeitmessung war halb angefangen und ich wollte die Funktionalität schon früh mobil anwendbar machen. Das war technisch auch möglich, denn 2009 gab es bereits Handys mit GPS. Alfred und ich haben unsere Jobs gekündigt und sind die Finanzierung des Unternehmens angegangen. Wir haben die damals wenigen Business Angels in Österreich abgegrast und bekamen lauter negative Rückmeldungen. Oft war das Argument, dass man mit einem Gadget keine Firma aufbauen kann. Wir haben stark die typisch österreichische Einstellung von „geht nicht, weil …“ erlebt. Unsere Naivität oder unsere Sturheit oder beides zusammen, haben uns trotzdem nicht vom Weg abgebracht.
Schlussendlich hat die Finanzierung aber doch geklappt.
Wir haben die ersten 50.000 Euro aus eigener Tasche gestemmt. Um unser Startup zu finanzieren, haben wir für große österreichische Unternehmen Apps entwickelt und so laufend für Umsätze gesorgt. Jeden verdienten Cent haben wir wieder ins Unternehmen gesteckt. Am Wochenende habe ich an der Fachhochschule und am WIFI unterrichtet, Christian und Rene haben entwickelt und Alfred hat für seine ehemalige Firma Beratungsleistungen erbracht. Im November 2009 konnten wir dann die erste Runtastic-App launchen. Und dann hat sich alles viel schneller und besser entwickelt als geplant.
Das dürfte dann schon Risikokapitalgeber interessiert haben?
Bereits zweieinhalb Monate nach der Gründung hatten wir drei potenzielle Finanzierungen mit vernünftiger Bewertung vorliegen. Wir haben das Geld aber nicht mehr wirklich gebraucht und entschieden, dass wir lieber unabhängig bleiben. Erst ein knappes Jahr später haben wir mit Stefan Kalteis, Bernhard Lehner und Alexander Iglsböck drei Business Angels mit an Bord geholt. Allerdings nicht für Geld, sondern gegen Work for Equity im kleinen Ausmaß.
Hat sich die Mitarbeit dieser drei Business Angels retrospektiv für euch ausgezahlt?
Das war sicher die richtige Entscheidung, weil wir damals recht unerfahren waren. Ich bin ein totaler Verfechter des Team-Gedankens: Die Leute müssen zusammenpassen und das war bei unseren Business Angels hundertprozentig der Fall. Sie haben auch gewisse Vorleistungen erbracht und uns gezeigt, wie wir bestimmte Sachen besser machen können. Dadurch haben wir die Lernkurve abgekürzt. Natürlich ging es auch ein bisschen ums Aufmachen der Szene – alle drei sind in Linz sehr gut vernetzt.
Entwickelt ihr heute noch Apps für andere Unternehmen?
Nein. Nach 18 Monaten haben uns die Leute gefragt, ob wir jetzt App-Entwickler sind, oder ob unser Kerngeschäft Runtastic mit Sport und Bewegung ist. Da haben wir gemerkt, wir müssen das sauber trennen. 2011 haben wir deshalb die „all about apps“ GmbH gegründet, an der auch unsere drei Business Angels beteiligt sind. Damit ist relativ schnell das erste Spin-off von Runtastic entstanden. All about apps entwickelt heute erfolgreich Apps für Unternehmen. Das läuft aber völlig separat, denn die Runtastic-App machen wir ausschließlich In-House. Ohne Trennung wäre es auch gar nicht mehr gegangen, denn Runtastic ist rapide weitergewachsen und da sind natürlich neue Herausforderungen auf uns zugekommen, von der Organisation bis zum Personalmanagement.
Gerade die Mitarbeiterführung ist immer ein großes Thema. Wie hat sich das bei euch entwickelt?
Bei 25 bis 30 Mitarbeitern waren wir schnell in einer Chaosorganisation. Wir haben dann klassisch angefangen, ein Organigramm aufzuzeichnen und Prozess- und Kommunikationswege definiert. So haben wir schnell gemerkt, dass an einer Führungsperson nicht elf oder zwölf Mitarbeiter dranhängen können. Eine Führungsperson kann maximal sechs bis acht Leute in dieser Ebene führen. Genauso wie es ein Grafiker schwer hat, wenn er an vier verschiedene Abteilungen liefern soll.
Wie habt ihr das Problem gelöst?
Wir haben ein C-Level und ein mittleres Management mit sieben bis acht Leuten eingeführt und eine Subebene mit Teamleitern. Vor eineinhalb Jahren haben wir auch unsere Founder- und Managerrolle klar getrennt. Das war wichtig, weil man als Founder anders als ein Manager entscheidet. Ich bin jetzt als CEO das Gesicht nach außen, Alfred ist COO und Rene und Christian sind unsere CTOs.
Habt ihr euch in dieser Phase keine Hilfe von außen geholt?
Wir haben mit Consultants nur kurze Workshops gemacht. Alles andere versuchen wir selbst zu erledigen. Wir leben da trotz unserer Größe den Startup-Spirit. So ist etwa der erste Donnerstag im Monat ein „DONI“, also ein „Day of New Ideas“. Die Mitarbeiter können an diesem Tag arbeiten woran sie wollen und um 16:00 Uhr ist die Präsentation mit Voting. Es ist für uns ganz wichtig, dass hier jeder gehört wird. Alle zwei Wochen haben wir ein gemeinsames Frühstück, bei dem besprochen wird, was gerade ansteht. Das alles passiert bei uns in Englisch.
Gibt es noch weitere Maßnahmen zur Mitarbeitermotivation?
Wir versuchen ganz stark, Mitarbeiter durch konkrete Ziele zu motivieren. Was man auch sagen muss, wir sind sehr streng in der Aufnahme und richten uns ganz stark an A-Level-Programmierer. Da kann es schon vorkommen, dass wir von zehn Entwicklern sieben nach Hause schicken. Es ist übrigens ein echter Standortvorteil von Pasching, dass es hier sehr gute Leute gibt und nicht jeder will nach Wien, London oder ins Valley.
Und was passiert, wenn die Ziele nicht erreicht werden?
Dann gibt es ein klares Reporting, warum diese nicht erreicht wurden. Wir wollen verstärkt alle Stakeholder in ein Meeting reinnehmen und die Dinge gemeinsam besprechen. Dazu haben wir eine sehr straffe Meetingstruktur geschaffen, bei der jeder in fünf bis zehn Minuten seine Punkte präsentiert und dann gehen wir gleich in medias res. Das steigert auch die Mitarbeitermotivation, weil Mitarbeiter die Chance bekommen, zu erklären, warum etwas nicht funktioniert hat. Es ist nicht fair, Ziele zu vereinbaren, die niemand erreichen kann, weil sich das Umfeld verändert oder du intern die Ressourcen nicht bekommen hast.
Eure Strategie ist jedenfalls voll aufgegangen. Runtastic ist weltweit bekannt, was sind die nächsten Ziele?
Wir wollen zur führenden Lifestyle-Marke für Health and Fitness werden. Egal welches Ziel du im Sport- oder Gesundheitsbereich hast, Runtastic soll die passenden Apps dafür haben. In gewissen Marktsegmenten gelingt uns das schon sehr gut. Jetzt kommt das Hardwaregeschäft dazu, da sind wir im stationären Handel bereits gut vertreten. Wir wollen als physische Brand erlebbar werden, von Handschuhen über Brustgurte. Mit dem Sportartikelhersteller Head haben wir einen Helm entwickelt, der dir beim Skifahren die Geschwindigkeit ansagt oder mit dem du telefonieren kannst.
Es ist doch recht ungewöhnlich, dass ein App-Hersteller zum Hardwareproduzenten wird?
Das ist total untypisch in der Branche und hat sich bei uns einfach so entwickelt. Unsere User haben immer wieder angefragt, dass sie gerne die eigene Herzfrequenz mit dem Smartphone messen würden. Wir haben dann einen Webshop aufgebaut und Brustgurte eines US-Herstellers vertrieben. Und dabei haben wir gemerkt, wow, wir verkaufen viel mehr als geplant! Das Affiliate-Programm mit einer Third-Party-Brand war uns auf Dauer zu wenig. Zufällig haben wir eine Welser Firma kennengelernt, die Uhren für Discounter herstellt und die waren gerade auf der Suche nach neuen Geschäftsmöglichkeiten. Wir sind relativ schnell zusammengekommen und heute entwickeln wir gemeinsam die Produkte und Runtastic hält die Rechte daran.
Wie hat der Handel auf dieses Hard- und Software Business Modell reagiert?
Sehr positiv. Mit unseren Produkten sind wir gut im internationalen Retail vertreten. Wir verkaufen über amazon.com sehr gut und bei den stationären Händlern sind wir im Bereich der „Appsessories“ stark positioniert. Das Thema „Quantified Self“ ist noch nicht voll da, aber das wird in ein bis eineinhalben Jahren richtig durch die Decke gehen.
Runtastic hat jetzt schon eine große Produktpalette. Das ist wahrscheinlich gar nicht so leicht zu managen?
Wir haben derzeit 16 Apps und 10 Hardwareprodukte und dazu noch unser runtastic.com Fitnessportal. In dieser Phase müssen wir fokussieren und den Sales-Bereich optimieren. KPIs haben wir erst letztes Jahr definiert. Im E-Mail-Marketing versenden wir 40 bis 50 Millionen Mails pro Monat. Hier lässt sich mit Betreffzeilentests, Grafiken, mobiler Darstellung und all dem noch sehr viel professionalisieren. Wir haben auch schon ein recht großes Marketingteam, die alle möglichen Sprachen abdecken. Wir wollen ganz bewusst in den Emerging Markets präsent sein. China lässt sich beispielsweise nur schwer monetarisieren, aber das Land bietet ein riesiges Reichweitenpotential und da wollen wir einfach vertreten sein.
Bei so einem erfolgreichen Unternehmensweg ist doch sicher der Börsengang interessant?
Wir haben jetzt keinen konkreten Plan. Es wäre aber gelogen, wenn wir sagen würden, wir reden nicht mit Leuten. Das ist aber immer eine Momentaufnahme. Natürlich soll man sich Optionen und Chancen anhören, aber man kann nicht sagen, das ist es jetzt. Vielleicht gibt es auch einen strategischen Partner, mit dem wir viel schneller an unser Ziel kommen.
Was siehst du als Erfolgsgeheimnis von Runtastic?
Unser größtes Erfolgsgeheimnis ist das Team. Wir vier Gründer haben immer an einem Strang gezogen. Geld war für uns nie der große Motivator. Wir haben uns am Anfang so gut wie nichts ausgezahlt und das war uns auch egal. Und wir arbeiten natürlich hart für den Erfolg. Im Durchschnitt sind es 70 bis 80 Stunden in der Woche. Das soll zwar einmal weniger werden, aber es macht auch unheimlich viel Spaß. Die Möglichkeiten werden wir kein zweites Mal im Leben mehr haben. Mit einer 40-Stunden-Woche wirst du nicht zur Nummer eins der Welt.
Hast du nie überlegt, aus Österreich wegzuziehen und in den USA einen schnellen Hebel zu finden?
Doch, der Gedanke war schon da, aber da gibt es auch eine ganz andere Kostenstruktur. Dort kannst du gute Programmierer nur mit teuren Incentives halten. In den USA sind die Big Player wie Facebook, Amazon und Google. Wir haben immer gesagt, wir müssen zuerst im deutschsprachigen Raum und dann in Europa gut sein. USA können wir dann angehen, wenn wir das richtige Mindset dafür haben.
Aber du bist schon oft im Silicon Valley unterwegs. Was sind da die größten Unterschiede zu Österreich?
Die Unterschiede sind gar nicht so groß. Auch das Silicon Valley ist eine überschaubare Szene. Auch dort geht es vor allem ums Networking, nur ist die Einstellung zum Entrepreneurship eine ganz andere. Da gibt es viel mehr Mut zum Unternehmertum und weniger Bürokratie bei der Gründung. Und die Amis können sehr gut verkaufen. Was man aber immer wieder betonen muss: Die Qualität an Technikern ist bei uns um nichts schlechter als in den USA! Wir haben in Österreich unheimlich viele gute Leute.
Kurzbiographie
Florian Gschwandtner hatte früh den Wunsch, selbständig zu werden. 2009 gründete er mit seinen beiden Studienkollegen Christian Kaar und Rene Giretzlehner sowie dem Marketingexperten Alfred Luger die Mobile Fitness Brand Runtastic. Heute ist er bei mehreren Unternehmen beteiligt. 2012 stieg er als Business Angel beim Analyseunternehmen LineMetrics ein. Mit „all about apps“ gründete er ein auf App-Entwicklung spezialisiertes Unternehmen mit. Gschwandtner war auch Gesellschafter beim Beratungsunternehmen Intrest und Boardmember bei Tractive. Davor war der 1983 geborene Oberösterreicher bei NTS in Leonding im internationalen Projektmanagement tätig. Er absolvierte berufsbegleitend den Masterstudiengang „Supply Chain Management“ an der FH Steyr und studierte davor von 2003 bis 2008 Mobile Computing an der FH Oberösterreich in Hagenberg. In regelmäßigen Abständen veranstaltet Gschwandtner in Linz Gründerstammtische.
Florian Gschwandtner hatte früh den Wunsch, selbständig zu werden. 2009 gründete er mit seinen beiden Studienkollegen Christian Kaar und Rene Giretzlehner sowie dem Marketingexperten Alfred Luger die Mobile Fitness Brand Runtastic. Heute ist er bei mehreren Unternehmen beteiligt. 2012 stieg er als Business Angel beim Analyseunternehmen LineMetrics ein. Mit „all about apps“ gründete er ein auf App-Entwicklung spezialisiertes Unternehmen mit. Gschwandtner war auch Gesellschafter beim Beratungsunternehmen Intrest und Boardmember bei Tractive. Davor war der 1983 geborene Oberösterreicher bei NTS in Leonding im internationalen Projektmanagement tätig. Er absolvierte berufsbegleitend den Masterstudiengang „Supply Chain Management“ an der FH Steyr und studierte davor von 2003 bis 2008 Mobile Computing an der FH Oberösterreich in Hagenberg. In regelmäßigen Abständen veranstaltet Gschwandtner in Linz Gründerstammtische.